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Analyse: Zeitarbeit im Niedriglohnsegment (Entgeltgruppen 1–4) 2020–2025

Whitepaper

Kurzfassung

Der Arbeitsmarkt im Niedriglohnsektor, insbesondere in Produktion, Logistik und Fertigung, hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Während früher ausreichend Personal für Tätigkeiten in den Entgeltgruppen 1–4 verfügbar war, kämpfen Unternehmen heute zunehmend mit Arbeitskräfteengpässen, hohen Fluktuationsraten und steigenden Lohnkosten. Demografischer Wandel, veränderte Erwartungen der Beschäftigten und die wachsende Bedeutung internationaler Arbeitskräfte prägen den Markt. Flexible Beschäftigungsmodelle und eine enge Zusammenarbeit mit Personaldienstleistern gewinnen dabei strategisch an Bedeutung. Wer als Arbeitgeber frühzeitig in attraktive Arbeitsbedingungen, effiziente Rekrutierungsprozesse und nachhaltige Mitarbeiterbindung investiert, sichert sich im verschärften Wettbewerb um Helfer und Fachhelfer entscheidende Vorteile.

 

Inhaltsverzeichnis

  1. Übersicht der wichtigsten Trends (seit 2020)
  2. Unterschiede zum klassischen Fachkräftemangel
  3. Aktuelle Zahlen und Studien (2020–2025)
  4. Handlungsempfehlungen für Zeitarbeitsunternehmen und Kundenbetriebe
  5. Zukunftsausblick 2025–2030
  6. Über Comodus

1. Übersicht der wichtigsten Trends (seit 2020)

1.1. Arbeitskräfteknappheit auch im Niedriglohnbereich

Der allgemeine Personalbedarf ist stark gestiegen. Acht von zehn Betrieben berichten inzwischen von Personalproblemen – vor 15 Jahren war es nur jeder Zweite. Neben dem bekannten Fachkräftemangel zeigt sich vermehrt ein Engpass an Arbeitskräften für einfache Tätigkeiten, z.B. in Produktion, Logistik und Lager. Etwa ein Drittel der Unternehmen erwartet Schwierigkeiten, ausreichend Personal im Helfersegment zu finden (besonders im Gastgewerbe, in der Zeitarbeit/Sicherheitsbranche sowie in Landwirtschaft). Süddeutschland (Bayern, Baden-Württemberg) spürt dies wegen fast Vollbeschäftigung besonders; in diesen Regionen sind Helferstellen oft nur schwer zu besetzen.

1.2. Demografie, Mismatch und neue Zielgruppen

Die Entwicklung wird durch den demografischen Wandel verschärft: Der verfügbare Arbeitskräftepool schrumpft jährlich um bis zu 400.000 Personen (altersbedingt). Gleichzeitig besteht ein Mismatch: Bundesweit waren Anfang 2023 zwar rund 2,6 Mio. Menschen arbeitslos (plus ~3 Mio. in der „stillen Reserve“), aber 1,98 Mio. Stellen unbesetzt. Viele Arbeitsuchende passen räumlich, qualifikatorisch oder von den Bedingungen her nicht zu den offenen (auch einfachen) Stellen. Unternehmen müssen daher neue Bewerbergruppen erschließen – z.B. ältere Arbeitnehmer, Quereinsteiger, Frauen (für männerdominierte Helferjobs) und Migranten. Ausländische Arbeitskräfte spielen eine wachsende Rolle: 2022 hatten 358.000 Zeitarbeitnehmer und damit rund 43 % der Leiharbeitskräfte keinen deutschen Pass. In einzelnen Helferbranchen (Lebensmittelproduktion, Malerei, Verkauf) liegt der Ausländeranteil teils bei 45–56 %.

1.3. Steigende Löhne und höhere Erwartungen

Löhne im Niedriglohnsektor sind zuletzt deutlich gestiegen, angetrieben durch den Wettbewerb um Arbeitskräfte und politische Vorgaben. Der allgemeine Mindestlohn stieg von 9,35 € (2020) auf 12 € (Okt. 2022) und weiter auf 12,82 € (2025), was auch Tariflöhne in EG 1–4 nach oben gezogen hat. Viele Entleiherbetriebe zahlen inzwischen höhere Stundenlöhne; die Lohnlücke zwischen Stammbeschäftigten und Zeitarbeitern ist kleiner geworden. In Helfertätigkeiten verdienen Zeitarbeiter oft genauso viel oder sogar mehr als festangestellte Kollegen im Kundenbetrieb. Gleichzeitig stiegen die Arbeitskosten: 55 % der Betriebe fühlten sich 2024 durch hohe Löhne belastet (2010 waren es 43 %). Arbeitsbedingungen rücken stärker in den Fokus. Gerade Niedriglohn-Bewerber erwarten heute oft faire Schichten, Planbarkeit und respektvolle Behandlung. Unternehmen reagieren mit Verbesserungen bei Schichtplänen, Prämien und unbefristeten Übernahmen, um attraktiver zu werden.

1.4. Hohe Fluktuation und Besetzungsdruck

Die Zeitarbeitsbranche dient als Puffer und war besonders von Schwankungen betroffen. Nach dem Corona-Einbruch 2020 und einer Erholung 2021–2022 ist die Zahl der Zeitarbeitnehmer 2023/24 wieder gesunken. Historischer Trend: Von 2017 (Rekord ~1,08 Mio. Leiharbeiter) bis Ende 2024 fiel der Bestand um ca. 35 % auf 676.000 – der niedrigste Wert seit 2010. Abbildung 1 verdeutlicht den langfristigen Verlauf: Seit den 1990ern wuchs die Zeitarbeit zunächst stark (bes. nach 2004), erreichte 2017 einen Höhepunkt und ging seither infolge gesetzlicher Regulierung (z.B. Höchstüberlassungsdauer 2017) und Konjunkturdämpfern zurück.

Grafik_Leiharbeitnehmer in Deutschland

Abbildung 1: Entwicklung der Zahl der Leiharbeitnehmer in Deutschland 1991–2022 (in Tausend). Die Zahl stieg nach 2004 stark an und erreichte 2017 mit ~1.034.000 ihren Höchststand, sank dann auf ~830.000 in 2022. Männer stellen den Großteil der Leiharbeiter (blaue Balken).

Quellen: BA-Arbeitsmarktstatistik; WSI GenderDatenPortal (2023).*

Durch die überdurchschnittliche Dynamik in der Zeitarbeit werden Beschäftigungsverhältnisse häufiger geschlossen und beendet als in anderen Branchen; die durchschnittliche Einsatzdauer ist kürzer. Im Jahresverlauf 2024 wurden z.B. 826.000 neue Leiharbeit-Jobs begonnen (10 % weniger als 2023 – ein Dekadentief). Das bedeutet: hohe Fluktuation – viele Mitarbeiter wechseln oft, was zu ständigem Rekrutierungsbedarf führt. Unternehmen im Niedriglohnbereich spüren allgemein, dass Vakanzen schneller und in höherer Zahl nachbesetzt werden müssen. Allerdings bleiben Helfer-Stellen im Schnitt kürzer unbesetzt als Fachkräftestellen, sofern genügend Bewerber vorhanden sind (Skill-Gap entfällt). In Engpassregionen verlängern sich jedoch auch hier die Besetzungszeiten, da mitunter kaum Bewerber am Markt sind.

1.5. Externe Dienstleister als strategische Partner

Zeitarbeitsfirmen, Personalvermittler und Vendor-Management-Dienstleister spielen eine Schlüsselrolle, um Engpässe im Helfersegment zu überbrücken. Viele Unternehmen lagern die Rekrutierung und Bereitstellung von Hilfskräften aus, um flexibel auf Auftragslagen reagieren zu können. Neutral-Vendor-Modelle koordinieren mehrere Personaldienstleister zugleich, um jederzeit genügend Kandidaten anbieten zu können. Das erhöht zwar den Lieferanten-Pool, birgt aber auch Herausforderungen: Die Beziehung zwischen Personaldienstleistern und Kunden verändert sich. Von Personaldienstleistern wird höchste Flexibilität erwartet. Allerdings berichten diese von kurzfristigen Abruf- und Abbestellwünschen der Kunden. Insgesamt hat die Zusammenarbeit an Bedeutung gewonnen: Keine Branche kann so gut „Krise“ wie die Zeitarbeit – in unsicheren Zeiten bieten flexible Arbeitsmodelle Unternehmen Sicherheit. Gleichzeitig müssen Dienstleister und Kunden enger und vorausschauender kooperieren, um Personalengpässe effektiv zu managen.

2. Unterschiede zum klassischen Fachkräftemangel

2.1. Ausmaß und Wahrnehmung

Fachkräftemangel (bei qualifizierten Berufen) wird von den meisten Unternehmen als drängender empfunden als der Mangel an Ungelernten. Zwei von drei Betrieben bezweifeln, genug qualifizierte Fachkräfte zu finden, während nur jeder Dritte Schwierigkeiten bei einfachen Helfertätigkeiten erwartet. Mit anderen Worten: Der Druck ist im Facharbeiter- und Akademikersegment höher. Niedriglohn-Engpässe treten eher in bestimmten Branchen oder Regionen auf, aber seltener flächendeckend.

2.2. Arbeitsangebot vs. Skills

Im Helferbereich gibt es rein zahlenmäßig mehr verfügbare Arbeitskräfte, aber oft keine Passung. Die Arbeitslosenquote ohne Berufsabschluss lag 2024 bei 20,9 % – mehr als sechsmal so hoch wie bei Menschen mit Ausbildung (3,4 %). Es sind also viele Ungelernte verfügbar, doch Jobs und Personen passen oft nicht zusammen (z.B. wohnortferne Stellen, gesundheitliche Einschränkungen oder Vorbehalte wegen der Bedingungen). Beim klassischen Fachkräftemangel hingegen fehlen oft überhaupt genügend ausgebildete Personen am Markt. Die Lücke lässt sich kurzfristig kaum schließen, weil Qualifizierung Zeit braucht. Selbst eine leichte Konjunkturabkühlung 2023 ließ den Fachkräftemangel bestehen: Es blieben immer noch 183 von 1200 Berufen als Engpassberufe identifiziert.

2.3. Vakanzzeiten und Besetzungsschwierigkeit

Fachkräftestellen bleiben deutlich länger unbesetzt. Laut Bundesagentur für Arbeit lag die durchschnittliche Vakanzzeit (ohne Helferberufe) schon 2018 bei über 100 Tagen – bis 2022 stieg sie in Engpassberufen teils weiter. Im Gegensatz dazu lassen sich viele Helferstellen bei passenden Bedingungen relativ zügig besetzen. Allerdings berichten Unternehmen zunehmend, dass auch einfache Jobs länger offen bleiben, gerade in Regionen mit geringer Arbeitslosigkeit. Beispiel: In Ostdeutschland mit höherem Arbeitskräfteangebot können Helferposten schneller nachbesetzt werden als in Süddeutschland, wo Betriebe teils Wochen nach Personal suchen, obwohl keine spezielle Qualifikation nötig wäre. Fachkräftemangel ist also eher ein Qualifikations- und Passungsproblem, während Engpässe im Niedriglohnbereich oft ein Attraktivitäts- und Verteilungsproblem sind.

2.4. Rekrutierungsstrategien

Fachkräftemangel erfordert meist langfristige Strategien wie Ausbildung, Umschulung und Anwerbung im Ausland (für Spezialisten). Unternehmen investieren in Employer Branding, Hochschulmarketing oder headhunting. Im Niedriglohnbereich dagegen stehen Maßnahmen wie Verbesserung der Arbeitsbedingungen, schnelle Einstellungsprozesse und Nutzung von Zeitarbeit im Vordergrund. Ein Beispiel: Bereits jetzt verlangen über 75 % der offenen Stellen einen Berufsabschluss – für Ungelernte bleiben also hauptsächlich Helferjobs. Arbeitgeber müssen diese Helferstellen so gestalten, dass sie trotz oft einfacher Tätigkeit attraktiv sind (etwa durch Prämien, planbare Arbeitszeiten, Aussicht auf Übernahme oder Qualifizierungsmöglichkeiten). Ungelernt ≠ unqualifiziert: Im Niedriglohnbereich kommt es stärker darauf an, Motivation und Zuverlässigkeit der Bewerber anzusprechen und ggf. fehlende Fachkenntnisse durch kurze Einarbeitung zu kompensieren. Bei Fachkräften hingegen liegt der Fokus auf vorhandenen Spezialkenntnissen oder zertifizierten Abschlüssen, die nicht so leicht substituierbar sind.

2.5. Fluktuation und Bindung

Helfer- und Zeitarbeitsjobs sind oft von höherer Fluktuation geprägt – viele nutzen sie als Sprungbrett oder überbrücken nur kurzfristig. Das führt zu häufigen Wechseln und Unsicherheit für Betriebe. Beim Fachpersonal ist die Fluktuation tendenziell geringer, aber wenn Schlüsselkräfte abwandern, wiegt es schwer (Know-how-Verlust). Strategien unterscheiden sich: Im Niedriglohnbereich versuchen Unternehmen zunehmend, Bindungsanreize auch für Helfer zu schaffen (z.B. Bonus nach X Monaten, Übernahme in Festvertrag), während man im Fachkräftebereich z.B. mit Karriereperspektiven, Weiterbildung oder Flexibilität punktet. Insgesamt ist die Bindung von Helfern eine Herausforderung, weil andere Arbeitgeber oft schnell mit leicht höherem Lohn oder näherem Arbeitsort abwerben können. Das Problem ist hier Austauschbarkeit der Tätigkeit. Beim Fachkräftemangel sind Mitarbeiter weniger leicht austauschbar, was die Arbeitgeber in die schwächere Verhandlungsposition bringt (sie müssen starke Anreize setzen, um überhaupt Fachleute zu gewinnen).

Fazit

Beim klassischen Fachkräftemangel fehlen spezifische Qualifikationen, während beim Arbeitskräftemangel im Niedriglohn oft die attraktiven Rahmenbedingungen fehlen. In vielen Fällen könnten ungelernte Arbeitslose Helferjobs besetzen, wenn Standort, Entlohnung und Arbeitszeit stimmen. Diese Stellschrauben lassen sich relativ kurzfristig drehen. Hingegen lässt sich ein fehlender Meister, Techniker oder IT-Experte nicht schnell „herbeizaubern“ – hier braucht es Jahre an Ausbildung oder Zuwanderung. Für Unternehmen bedeutet das: Die Personalsituation in EG 1–4 ist andersartig angespannt. Sie erfordert vor allem Personalmarketing, Geschwindigkeit und Betreuung, während der klassische Fachkräftemangel strukturelle Lösungen (Bildung, Immigration, Technologiewandel) erfordert.

3. Aktuelle Zahlen und Studien (2020–2025)

3.1. Beschäftigte in Zeitarbeit

Im Juni 2022 waren in Deutschland 834.876 Leiharbeitnehmer registriert (≈2,2 % der Gesamtbeschäftigung). Davon gehörten 472.000 (56 %) zur Helfer-Ebene (Entgeltgruppen 1–2), 282.000 (34 %) zur Facharbeiter-Ebene (EG 3–4), und nur ~80.000 (10 %) zu Spezialisten/Experten. Zeitarbeit ist also überwiegend Niedriglohn-Arbeit. Bis Ende 2024 sank die Zahl der Leiharbeitnehmer auf 676.000 (–10 % ggü. Vorjahr) – der niedrigste Stand seit über einem Jahrzehnt. Gründe: Konjunkturflaute ab 2019/2020, gesetzliche Einschränkungen (Höchstüberlassungsdauer ab 2017) und Abwanderung in reguläre Jobs. Trotz des Rückgangs bleibt Leiharbeit wichtig: Sie machte 2022 weiterhin 2,1 % der Beschäftigung aus (Männer 2,9 %, Frauen 1,3 %).

Grafik_Beschäftigte in Zeitarbeit

Quelle: "Statistik der Bundesagentur für Arbeit zum Stichtag 30. Juni 2022 „Leiharbeitnehmer und Verleihbetriebe“

3.2. Offene Stellen und Arbeitslosigkeit

Laut IAB-Stellenerhebung waren Ende 2022 rund 1,98 Mio. offene Stellen auf dem deutschen Arbeitsmarkt gemeldet – ein Rekordhoch. 2023 ging diese Zahl etwas zurück (rund 1,7 Mio. im Jahresmittel), bleibt aber historisch hoch. Dem standen im Jahresdurchschnitt 2023 etwa 2,5 Mio. Arbeitslose gegenüber (BA-Statistik). Auffällig ist der Mismatch: Laut BA-Engpassanalyse 2023 blieben 183 von ~1.200 Berufen Engpassberufe (trotz leichter Entspannung ggü. 2022). Besonders betroffen sind Pflege, Handwerk, Berufskraftfahrer, Erziehung – Bereiche, die meist eine Ausbildung erfordern. Helferberufe tauchen in der Engpassliste weniger auf, weil hier nominell genug Personen verfügbar wären. Dennoch melden 36 % der Firmen Schwierigkeiten bei der Besetzung von Helferstellen. Durchschnittliche Vakanzzeiten verdeutlichen dies: Während Fachkraft-Stellen teils über 100 Tage offen bleiben (Median ~60 Tage), liegen viele Helfer-Stellen unter diesem Wert. Beispielsweise betrug 2022 die mittlere Vakanz in „Transport/Lagerhelfertätigkeiten“ etwa 30–50 Tage (Schätzung, BA-Statistik), deutlich kürzer als in MINT-Fachberufen.

3.3. Lohnentwicklung

Der gesetzliche Mindestlohn wurde zum Oktober 2022 auf 12,00 € erhöht (von 9,60 € Anfang 2021) und stieg weiter auf 12,41 € (Jan 2024) und 12,82 € (Jan 2025). Dadurch erhöhten sich die Tarifentgelte in der Zeitarbeit entsprechend. Beispiel: Die niedrigste Entgeltgruppe 1 (West, Un-/Angelernte) lag im iGZ/BAP-Tarif vor der Erhöhung bei ca. 10,88 €/h (2021) und stieg bis April 2023 auf 13,00 €/h (in Kundenbetrieben der Metall/Elektroindustrie sogar EG1=13,00 €). Entgeltgruppen 2a/2b (einfache Fachkenntnisse) liegen nun bei ~13,20–13,50 €. Branchentarifzuschläge und steigende Grundlöhne haben dazu geführt, dass Helfer-Stundenlöhne im Jahr 2025 in vielen Regionen deutlich über 13 € liegen – eine spürbare Steigerung gegenüber ~10 € vor fünf Jahren. Gleichzeitig beklagen Unternehmen die Kostenbelastung: 2024 gaben 55 % an, hohe Lohnkosten seien ein Problem (nur 43 % in 2022). Statistik: Laut BA ist der Medianlohn für Ungelernte (Vollzeit) zwischen 2018 und 2022 von etwa 2.100 € auf 2.500 € brutto/Monat gestiegen (Destatis Arbeitsverdienste; Schätzung). Dies zeigt, dass der Niedriglohnsektor Lohnzuwächse über Inflationsniveau gesehen hat – teils erzwungen durch den Markt.

3.4. Fluktuation und Beschäftigungsdauer

Zeitarbeit zeichnet sich durch kurze Beschäftigungsverhältnisse aus. Im Jahr 2022 wurden insgesamt rund 906.000 neue Leiharbeitsverhältnisse begonnen, während fast ebenso viele endeten (Bestand blieb etwa gleich). 2024 lag die Zahl neu begonnener Verträge mit 826.000 etwas niedriger, was die konjunkturelle Abschwächung widerspiegelt. Laut Bundesrechnungshof betrug im 2. Halbjahr 2013 die Durchschnittsdauer eines Leiharbeitsverhältnisses nur ca. 3 Monate (halbes Jahr: ~500 Tsd. Eintritte vs. 547 Tsd. Austritte) – hohe Personalfluktuation ist also typisch. Neuere Auswertungen zeigen, dass gut 65 % der Leiharbeitskräfte unmittelbar vor Vertragsbeginn arbeitslos oder ohne Beschäftigung waren (d.h. die Zeitarbeit rekrutiert viele Nicht-Erwerbstätige), aber nur 35 % direkt aus Beschäftigung kamen (oftmals wechseln Leiharbeitnehmer nach kurzer Dauer wieder in Arbeitslosigkeit oder in andere Jobs). Dies unterstreicht die Brückenfunktion der Zeitarbeit, aber auch das prekäre Momentum: Viele Jobs sind temporär. Die Übernahmequote in feste Stellen im Kundenbetrieb lag 2021/22 je nach Branche bei geschätzten 10–20 %. Das bedeutet: Die Mehrheit verbleibt nicht langfristig beim Entleiher, was wiederum ständige Nachbesetzung erfordert.

Grafik_Fluktuation und Beschäftigungsdauer

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit

3.5. Regionale Unterschiede

Niedriglohn- und Helferengpässe sind regional sehr unterschiedlich. In Bayern lag die Arbeitslosenquote 2024 bei nur ~3,7 % im Jahresmittel, in Baden-Württemberg ähnlich niedrig – hier können Betriebe nahezu keine Reserven mehr mobilisieren. In Ostdeutschland dagegen (z.B. Mecklenburg-Vorpommern ~8 %) gibt es tendenziell mehr verfügbare Arbeitskräfte für einfache Jobs. Dennoch berichten auch ostdeutsche Betriebe von Passungsproblemen und Abwanderung junger Leute in den Westen. Die IAB-Studie “Engpässe und Überhänge regional” (2023) zeigt, dass ländliche Industriezentren im Süden am stärksten unter einfacher Arbeitskräfteknappheit leiden, während Strukturwandel-Regionen im Osten eher ein Überangebot an Ungelernten haben. Unternehmen in Engpassregionen greifen vermehrt auf Fahrgemeinschaften, Pendlerbusse oder Unterkünfte für angeworbene Kräfte zurück, um den regionalen Mangel zu überbrücken.

3.6. Studien und Prognosen

Zahlreiche Institute beleuchten diesen Bereich. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) konstatiert 2023 einen historisch beispiellosen Arbeitskräfteengpass und fordert eine „mehrgleisige Strategie“ (Aktivierung inländischer Potenziale, Zuwanderung, Qualifizierung). Das KOFA (Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung) betont in einer Studie 2023 die Potenziale von Helfern zur Fachkräftesicherung: In 16 Berufen (v.a. Verkauf, Lager, Logistik) könnte die Fachkräftelücke deutlich reduziert werden, würden nur 15 % der arbeitslosen Helfer zu Fachkräften qualifiziert. Allerdings sei dies kein Allheilmittel – in Pflege oder Maschinenbau würden selbst maximale Umschulungen den Bedarf nicht decken. Die QuBe-Projektion (BIBB/IAB) aus 2024 prognostiziert bis 2035 weiter zunehmende Engpässe auf mittleren Qualifikationsstufen, während das Angebot an Ungelernten zahlenmäßig zwar bleibt, aber deren Chancen ohne Ausbildung schlecht sind. Kurz gesagt: Alle aktuellen Untersuchungen sehen dringenden Handlungsbedarf, um den Niedriglohnsektor arbeitskräfteseitig zu stabilisieren – sei es durch bessere Bedingungen, Qualifizierung oder smartere Vermittlung.

 

(Quellen: Bundesagentur für Arbeit (BA) – Arbeitsmarkt in Zahlen (Zeitarbeit, Engpassanalyse); Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung – IAB Forum, IAB-Kurzberichte 2023–25; KOFA-Studie 4/2023; WSI GenderDatenPortal)

4. Handlungsempfehlungen für Zeitarbeitsunternehmen und Kundenbetriebe

Attraktivität der Arbeitsbedingungen erhöhen

Sowohl Personaldienstleister als auch Produktions-/Logistikbetriebe sollten gezielt an Lohn- und Arbeitsbedingungen schrauben, um im Wettbewerb um Helfer mitzuhalten. Übertarifliche Zulagen, Bonuszahlungen (z.B. Anwesenheitsprämien, Einstiegsbonus) und verbindliche Schichtpläne steigern die Attraktivität. Wichtig ist auch, faire Behandlung und Wertschätzung zu zeigen – z.B. durch Einbezug der Zeitarbeiter ins Team, Bereitstellung von Arbeitskleidung, kostenloses Mittagessen oder Transportmöglichkeiten. Einige Personaldienstleister berichten, dass ihre Helfer inzwischen besser oder ähnlich verdienen wie die Stammbelegschaft beim Kunden. Dies sollte kommuniziert und genutzt werden: Wenn Zeitarbeitnehmer merken, dass sie nicht Mitarbeiter zweiter Klasse sind, steigt ihre Motivation und Loyalität. Equal Pay nach 9–15 Monaten (gesetzlich) sollte nicht als Maximum, sondern als Richtschnur gelten. Idealerweise versuchen Entleiher, gute Leihkräfte früher zu übernehmen oder zumindest deren Lohn schrittweise anzugleichen. Darüber hinaus erhöhen Work-Life-Balance-Maßnahmen die Bindung: Wo möglich, Schichten planbar gestalten, kurzfristige Freizeitwünsche berücksichtigen, Überstunden auszahlen oder abbummeln lassen. Praxis-Tipp: Eine Mitarbeiterbefragung unter Helfern kann Aufschluss geben, welche Verbesserungen sie sich wünschen (z.B. sicherer Arbeitsplatz, Pausenräume, Klimatisierung in der Produktion etc.). Schon kleine Investitionen in die Arbeitsqualität zahlen sich in höherer Verbleibsquote aus.

Rekrutierung beschleunigen und diversifizieren

Im Niedriglohnsegment ist Tempo bei der Personalgewinnung entscheidend. Bewerber haben oft mehrere Angebote parallel und nehmen den ersten Zusage. Daher sollten Bewerbungsprozesse so niederschwellig und schnell wie möglich sein: Kurzes Online-Formular oder Telefonbewerbung, sofortiges Vorstellungsgespräch (persönlich oder per Video) und eine Entscheidung innerhalb weniger Tage. Zeitarbeitsfirmen können hier mit digitalen Tools punkten – z.B. automatisierte Matching-Systeme, die Kandidatenprofile mit Kundenanforderungen blitzschnell abgleichen (KI-gestützte Bewerbermanagement-Systeme verkürzen die Besetzungszeit und verbessern den Fit). Talentpools mit vorab geprüften Helfern (z.B. studentische Aushilfen, Rentner für Teilzeit, Minijobber) erleichtern das schnelle Nachbesetzen bei Ausfall. Gleichzeitig sollten neue Quellen erschlossen werden: Gezielte Ansprache von bislang ungenutzten Gruppen kann helfen, den Bewerberkreis zu erweitern. Beispiele: Ältere Arbeitnehmer (50+), die vielleicht nur Teilzeit wollen; Geflüchtete und Migranten, die anfangs einfache Jobs suchen (hier Unterstützung bei Sprache und Behördengängen bieten); Langzeitarbeitslose, in Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur (Lohnkostenzuschüsse nutzen); Quereinsteiger aus anderen Branchen (z.B. Tourismus-Mitarbeiter in die Logistik umwerben).

Diversity ist ein Vorteil: Studien zeigen, dass vielfältige Teams stabiler und engagierter sind. Inklusive Rekrutierung, also keine Vorurteile gegenüber etwa geringerer Bildung, Herkunft oder Alters, erhöht das verfügbare Kandidatenpotenzial deutlich. Personalverantwortliche sollten Kandidaten nach Kompetenzen und Potenzial bewerten, nicht nur nach formalen Lebensläufen. Wer z.B. körperlich fit, zuverlässig und lernbereit ist, kann ein guter Lagerhelfer sein, auch ohne Abschluss. Betriebe und Personaler sollten solche “Rohdiamanten” erkennen und zum Einstieg ermutigen.

Fokus auf Mitarbeiterbindung und Aufstiegschancen

Gerade im Helferbereich ist Fluktuation teuer. Jeder Abgang verursacht Einarbeitungskosten für den Nächsten und ggf. Produktionsausfälle. Daher lohnt es sich, in Bindungsmaßnahmen zu investieren. Bindung fängt am ersten Tag an: Eine gründliche Einarbeitung, ein fester Ansprechpartner und Feedbackgespräche in den ersten Wochen zeigen dem neuen Mitarbeiter, dass er willkommen ist. Zeitarbeitsfirmen sollten ihre externen Mitarbeiter genauso eng betreuen wie interne: Regelmäßige Besuche vor Ort, kurze Wege bei Anliegen, vielleicht kleine Aufmerksamkeiten (Geburtstagskarte, Weihnachtsgeschenk) schaffen Loyalität. Karrierepfade für Ungelernte: Ein zentraler Hebel ist, Helfern Perspektiven zu bieten. Identifizieren Sie Mitarbeiter, die Potenzial und Wunsch haben, mehr zu lernen. Bieten Sie ihnen Qualifizierungsmöglichkeiten an, etwa Teilqualifikationen, Staplerschein, Schweißschein, einfache Maschinenbediener-Lehrgänge. Schon kleine Weiterbildungen können Helfer in höher qualifizierte (und besser bezahlte) Rollen bringen, was beide Seiten profitieren lässt.

Laut KOFA-Studie könnte in 16 Engpass-Berufen die Lücke geschlossen werden, wenn nur 15 % der arbeitslosen Helfer zu Fachkräften qualifiziert würden. Dies zeigt: Aufstieg aus dem Niedriglohnsegment ist möglich und sollte aktiv gefördert werden. Unternehmen sollten innerhalb der Belegschaft geeignete Kandidaten ansprechen und fördern – z.B. der zuverlässige Lagerhelfer, der mit etwas Schulung zum Maschinenführer avancieren kann. Solche Aufstiegschancen binden Mitarbeiter stark an den Betrieb, denn sie sehen eine Zukunft. Zusätzlich können finanzielle Anreize gesetzt werden: Bonus bei 12 Monaten Betriebszugehörigkeit, Lohnerhöhung nach 6 Monaten etc. Ein Mentoren-Programm (erfahrene Mitarbeiter betreuen Neue) erhöht ebenfalls die Bindung und beschleunigt die Integration. Für Zeitarbeitskräfte kann der Wechsel in Festanstellung ein Motivator sein. Entleiher sollten erfolgreiche Leiharbeiter nach einer gewissen Zeit möglichst übernehmen. Wenn das nicht sofort geht, kann man Zwischenlösungen finden: z.B. befristete Übernahme oder zumindest gleichen Lohn für gleiche Arbeit nach einer Einarbeitungszeit, um Zugehörigkeitsgefühl zu schaffen.

Effiziente Zusammenarbeit mit Personaldienstleistern (Vendor-Management)

Für Kundenbetriebe in Produktion und Logistik, die regelmäßig Helferpersonal benötigen, empfiehlt es sich, die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern strategisch aufzusetzen. Statt in jeder Notsituation ad-hoc Zeitarbeiter anzufordern, sollte ein Rahmenvertrag oder On-Site-Management etabliert werden. Dabei können Master-Vendor-Modelle (ein Hauptdienstleister koordiniert andere) oder Neutral Vendors helfen, den Personalstrom zu bündeln. Ein Neutral Vendor agiert als unabhängiger Koordinator zwischen dem Kunden und mehreren Zeitarbeitsfirmen. Vorteil: Der Kunde bekommt “aus einer Hand” die passenden Leute, da der Neutral Vendor aus einem großen Lieferantenpool auswählen kann. Wichtig ist aber, dass solche Modelle fair und partnerschaftlich gestaltet werden. Dienstleister sollten ausreichend Vorlauf und Informationen zu Anforderungen erhalten, um passgenau rekrutieren zu können. Last-Minute-Bestellungen („Wir brauchen morgen 20 Leute!“) lassen sich nicht immer vermeiden, aber durch vorausschauende Planung reduzieren. Kundenbetriebe sollten intern prüfen, ob sie ihren Bedarf realistischer planen können. Beispielsweise könnte man mit dem Dienstleister Wochenpläne abstimmen oder Frühindikatoren (Auftragseingang etc.) teilen, damit dieser Kandidaten in Bereitschaft halten kann.

Personaldienstleister beklagen manchmal, dass Kunden sprunghaft agieren, etwa 50 Leute anfordern und wenige Tage später doch wieder absagen. Solche Aktionen kosten Vertrauen und Ressourcen. Daher: Transparenz über die eigene Auftragslage gegenüber dem Personaler schafft Verständnis und die Möglichkeit, gemeinsam Lösungen (z.B. alternative Einsätze für abbestellte Zeitarbeiter) zu finden. Auch die Integration der Leiharbeiter im Betrieb sollte durch den Kunden aktiv gefördert werden (z.B. Zugänge, Schulungen, Sicherheitsunterweisungen direkt bereitstellen), damit die Produktivität hoch ist und kein „Wir/Ihr“-Gefühl entsteht. Zusammengefasst: Setzen Sie auf langfristige Partnerschaften mit seriösen Personaldienstleistern, vereinbaren Sie klare Qualitätskriterien (Einsatzdauer, Ausfallquote, Reaktionszeit) und führen Sie regelmäßig Gespräche, um Feedback von beiden Seiten auszutauschen. Ein eingespieltes Team aus Entleiher + Personaldienstleister kann Personalengpässe im Helfersegment viel reibungsloser meistern als eine lose Folge von Einzelaufträgen.

Technologie und Prozessoptimierung nutzen
In der modernen Arbeitswelt stehen zahlreiche digitale Tools bereit, um Personalprozesse effizienter zu machen, und das gilt auch im Niedriglohnsegment. Softwarelösungen (VMS/Portal) können z.B. Schichtpläne automatisch mit Verfügbarkeiten von Zeitarbeitern abgleichen und so kurzfristige Lücken sofort anzeigen. Apps für Zeitarbeiter ermöglichen es, Schichten anzunehmen, zu tauschen oder Rückmeldung zu geben, was die Flexibilität und Zufriedenheit erhöht. Zudem kann Künstliche Intelligenz (KI) bei der Personalauswahl unterstützen: KI-gestütztes Matching findet schneller geeignete Kandidaten und filtert unpassende Bewerbungen aus. Dies entlastet die Disponenten, die sich dann mehr um das Onboarding und die persönliche Betreuung kümmern können. Auch einfache Automatisierungen helfen: etwa Chatbots, die häufige Bewerberfragen beantworten (Arbeitszeit, Bezahlung, Einsatzort), oder digitale Vertragsunterschriften, um den Einstellungsprozess zu beschleunigen.
 
Ein weiterer Aspekt ist die Datenanalyse: Unternehmen sollten Kennzahlen wie Time-to-Fill, Turnover-Rate, Fehlzeitenquote etc. tracken, um Engpässe früh zu erkennen. Beispiel: Wenn die Daten zeigen, dass an Standort X immer montags besonders viele Leute fehlen, kann man gezielt Maßnahmen setzen (z.B. Montagsprämie einführen oder Springerpool bereitstellen). Prozessoptimierung bedeutet auch, interne Abläufe zu überprüfen: Ist der Onboarding-Prozess schlank? Werden Neueinsteiger vielleicht durch unnötig komplizierte Formalitäten abgeschreckt? Hier kann z.B. eine zentrale Onboarding-Stelle helfen, die alle Papierarbeit von den Schultern der Fachabteilung nimmt, damit diese sich auf die Einarbeitung konzentrieren kann. Für Personaldienstleister zahlt es sich aus, ein gutes Bewerbermanagement-System zu nutzen, um Kandidatenprofile zu pflegen und bei neu reinkommenden Kundenanfragen schnell matchen zu können. Insgesamt gilt: Wer technologische Innovationen nutzt, verkürzt die Besetzungszeit und erhöht die Qualität der Einstellungen – ein Wettbewerbsvorteil im angespannten Helfer-Arbeitsmarkt.

Durch diese Maßnahmen können Zeitarbeitsunternehmen und ihre Kunden gemeinsam erfolgreich Personal im Niedriglohnsegment sichern. Es braucht ein Mix aus monetären Anreizen, zwischenmenschlicher Bindung und intelligentem Ressourceneinsatz, um sowohl genügend Mitarbeiter zu finden als auch zu halten. Wichtig ist, authentisch zu bleiben – leere Versprechungen (z.B. nicht gehaltene Übernahmezusagen) sprechen sich schnell herum und erschweren künftige Rekrutierung. Besser ist es, mit kleinen Schritten kontinuierlich die Situation für die Arbeitnehmer zu verbessern. Zufriedene Helfer empfehlen den Arbeitgeber weiter, reduzieren Fluktuation und sichern so letztlich auch den Unternehmenserfolg.

5. Zukunftsausblick 2025–2030

Personalsituation & Demografie

In den kommenden 5–10 Jahren wird die Personalsituation im Niedriglohnsektor eine der zentralen Herausforderungen für Wirtschaft und Arbeitsmarkt bleiben. Demografisch bedingt treten die geburtenstarken Jahrgänge nach und nach in Rente, während immer weniger Schulabgänger nachrücken – dies betrifft alle Qualifikationsebenen, aber gerade einfache Tätigkeiten wurden früher oft von jüngeren oder ungelernten Kräften übernommen. Dieser Puffer schrumpft nun. Prognosen von IAB/BIBB gehen davon aus, dass die Zahl der Erwerbspersonen bis 2035 deutlich zurückgeht und sich eine „allgemeine Knappheit“ einstellt. Das heißt: Unternehmen müssen sich darauf einstellen, mit weniger Personal auszukommen oder neue Wege zu finden, Arbeitskräfte zu gewinnen.

Zuwanderung als Schlüssel

Zuwanderung wird im Niedriglohnbereich eine noch größere Rolle spielen. Bereits heute sind über ein Drittel der Helfer aus dem Ausland; die Bundesregierung hat mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz (2023) auch Anwerbemöglichkeiten für Personen ohne formalen Abschluss verbessert (Stichwort „Erfahrungssäule“: wer Berufserfahrung in einem Engpassfeld hat, kann auch ohne deutschen Berufsabschluss einwandern). Bis 2030 dürfte gezielte Arbeitsmigration – etwa aus Nicht-EU-Ländern für Logistik, Produktion oder Bau-Helferjobs – an Bedeutung gewinnen. Unternehmen, insbesondere in Süddeutschland, knüpfen schon jetzt Kontakte in Länder wie Vietnam, Brasilien oder Indien, um Fachhelfer zu rekrutieren. Die Integration dieser Kräfte (Spracherwerb, kulturelle Eingewöhnung) wird zu einer wichtigen Aufgabe, die über Erfolg oder Misserfolg entscheidet.

Inländische Potenzial

Gleichzeitig wird es unvermeidlich sein, brachliegende inländische Potenziale zu heben. Dazu zählen etwa Personen in der Grundsicherung, die mit passgenauer Qualifizierung und Beschäftigungsprojekten wieder an den Arbeitsmarkt herangeführt werden können. Die Politik diskutiert hier etwa eine aktivierende Arbeitsmarktpolitik: Weiterbildung für Ungelernte, Teilqualifikationen und öffentlich geförderte Beschäftigung, um Langzeitarbeitslosen einen Einstieg zu ermöglichen. Für Unternehmen könnte es z.B. attraktive Lohnkostenzuschüsse geben, wenn sie einen ehemals arbeitslosen Helfer einstellen und qualifizieren. Auch Ältere werden länger im Erwerbsleben bleiben (Stichwort Anhebung Renteneintrittsalter, Flexirente). Einfache Tätigkeiten müssen ggf. altersgerecht gestaltet werden, damit auch 67-Jährige noch mitmachen können (z.B. Hilfsmittel für körperliche Arbeiten, mehr Pausen).

Technologie & Automatisierung

Technologie und Automatisierung werden ebenfalls einen Teil zur Lösung beitragen, aber selektiv. In der Fertigung und Logistik wird zwar weiterhin automatisiert (Roboter, fahrerlose Transportsysteme, KI-unterstützte Sortierung), dennoch bleiben genügend Aufgaben für Menschen, vor allem flexibel einsetzbare Helfer, die Maschinen bedienen, überwachen oder manuelle Restarbeiten erledigen. Die Digitalisierung kann auch helfen, mit knapperem Personal auszukommen: bessere Planung (z.B. Schichtoptimierung via KI, sodass nie Über- oder Unterbelegung entsteht) und Produktivitätssteigerung (jeder Mitarbeiter kann durch Exoskelette, assistierende Systeme mehr schaffen) federn den Mangel etwas ab. Allerdings sind solche Technologien bis 2030 wahrscheinlich nur in Vorreiterbetrieben voll umgesetzt – flächendeckend bleibt der Faktor Mensch zentral.

Tarifliche Entwicklung

Tariflich ist zu erwarten, dass die Löhne im Niedriglohnsegment weiter steigen. Politisch wird über einen Mindestlohn von 14–15 € perspektivisch diskutiert. Die Gewerkschaften drängen auf Aufwertung niedrig entlohnter Jobs, was zu höheren Tarifabschlüssen führen dürfte. Für die Zeitarbeitsbranche bedeutet das steigende Kosten, aber auch eine mögliche Imageverbesserung: Wenn Helferjobs besser bezahlt sind, erhöhen sich vielleicht wieder die Bewerberzahlen. Allerdings warnen Personalexperten, dass ein zu starker Lohnanstieg ohne Produktivitätszuwachs zu Verwerfungen führen kann – z.B. könnten dann noch mehr Tätigkeiten automatisiert oder ins Ausland verlagert werden. Es wird ein Balanceakt, der voraussichtlich auch politisch moderiert werden muss (Mindestlohnkommission, Sozialpartner-Verhandlungen).

Rolle der Zeitarbeit

Die Rolle der Zeitarbeit in 2025–2030 wird sich wandeln, aber sie bleibt essenziell. Nach Einschätzung von Branchenvertretern wird flexible Arbeit sogar wichtiger denn je, um den demografischen Wandel zu bewältigen. Allerdings steht die Branche vor Herausforderungen: Neue gesetzliche Regulierungen sind möglich (die Politik diskutiert z.B. Einschränkungen in gewissen Branchen oder stärkeren Schutz von Zeitarbeitnehmern). Dies könnte die Maximaleinsatzdauer weiter begrenzen oder zusätzliche Auflagen bringen. Die Zeitarbeitsunternehmen werden sich daher vermutlich noch stärker als Anbieter von HR-Lösungen positionieren: weg vom reinen „Verleiher“ hin zum Talent-Manager, der Rekrutierung, Qualifizierung und Überlassung kombiniert. Denkbar sind Modelle, bei denen Zeitarbeitsfirmen selbst in Weiterbildung investieren, um dem Kunden einen Helfer zu schicken, der direkt zum Fachhelfer weiterentwickelt werden kann. Einige Pilotprojekte laufen bereits, unterstützt vom Staat (Qualifizierungschancengesetz).

Fazit Ausblick

Bis 2030 wird der Kampf um Arbeitskräfte in den Entgeltgruppen 1–4 weitergehen. Unternehmen müssen kreativ und proaktiv sein, um genügend Personal zu finden: Recruiting im Ausland, Training on the Job, attraktive Bedingungen und flexible Einsatzkonzepte werden zum Standardrepertoire gehören. Wer die Zeitarbeit strategisch nutzt – als Puffer und Talent-Pipeline – kann Vorteile erzielen, sollte aber auch bereit sein, Zeitarbeiter fair zu behandeln und zu übernehmen, wo möglich. Der Niedriglohn-Arbeitsmarkt der Zukunft könnte sich etwas verlagern: Weniger junge Deutsche, dafür mehr Migranten und ältere Beschäftigte in Helferjobs; einfache Tätigkeiten, wo möglich, durch Technik erleichtert; gleichzeitig eine stärkere Durchlässigkeit nach oben, indem man Ungelernten Karriereoptionen bietet. 

Für Geschäftsführer und HR-Leiter heißt das, umzudenken: Der früher oft abundant vorhandene „Bodensatz“ an Arbeitskräften existiert nicht mehr. Jeder Mitarbeiter zählt. Es gilt, durch gute Führung und innovative Ideen das Unternehmen so zu positionieren, dass auch im Jahr 2030 genug Hände und Köpfe da sind, um die Arbeit zu erledigen. Die nächsten Jahre werden dabei kritisch: Hier werden die Weichen gestellt, ob man als Arbeitgeber im Niedriglohnsegment attraktiv bleibt. Wer jetzt in Personal investiert, wird künftig trotz knapper werdendem Angebot handlungsfähig sein – wer darauf hofft, dass sich schon jemand finden wird, könnte langfristig das Nachsehen haben. In diesem Sinne: Der Niedriglohnsektor von morgen braucht hohen Stellenwert heute – dann lassen sich die kommenden Herausforderungen meistern.

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